„Huch, seit wann spricht denn die Werbung der Bundeswehr offen und ehrlich über sexualisierte Gewalt, Nazi-Chatgruppen und über das Morden und Verrecken im Militär?“ Das dürften sich Passantinnen am Wochenende in Berlin gefragt haben. Denn in über 50 Werbevitrinen an Bus- und Bahnhaltestellen in Tiergarten, Mitte und Schöneberg konnten ihnen satirisch veränderte Bundeswehrplakate begegnen. Für die Aktion hatte sich die neu gegründete „Werkstatt für Antifaschistische Aktionen (W2A)“ Bundeswehrplakate der Kampagne „Weil du es kannst“ ausgeliehen, mit Überklebern versehen und unter Nutzung einfachsten Baumarkt-Werkzeugs unauthorisiert wieder in die Werbevitrinen der Wall GmbH gehängt. „Natürlich vor allem rund ums Kriegministerium!“ freut sich Luca Klatt, Sprecherin der Werkstatt für Antifaschistische Aktionen: „Weil die Mitarbeiter*innen des Kriegsministeriums sich am Montag Morgen auf der Weg zur Arbeit darüber ärgern, wie wir ihre Imagekampagne zum Bumerang gemacht haben!“
Hitler-Memes und rechte Traditionspflege
Das satirische Verändern von Werbung nennt sich „Adbusting“ und fuktioniert zum Beispiel so: Eins der Adbustings der Werkstatt für Antifaschistische Aktionen zeigt als Bild eine Computertastatur. Den ursprünglichen Werbeslogan des Militärs „Du siehst die Gefahr zwischen den Zeilen“ änderten die Aktivist*innen zu „Wir sind die Gefahr zwischen den Zeilen“. Als Erklärung steht auf dem Plakat außerdem: „In unseren Nazi-Chatgruppen gibt es für jedes Hitler-Meme ein <3“.
„Alle paar Monate wird eine neue Nazi-Chatgruppen von Bundeswehr-Soldatinnen zum öffentlichen Skandal“, sagt Luca Klatt: „Dass sich Nazis in der Bundeswehr pudelwohl fühlen, ist auch kein Wunder: Der Alltag der Soldatinnen ist geprägt von Befehl, Gehorsam, Leistung und Nationalismus. In ihrem Traditionsverständnis beruft sich die Bundeswehr auf Wehrmachtssoldaten, die ‚erfolgreich‘ beim nationalsozialistischen Vernichtungskrieg mitgemordet haben.“
„Voll im Einsatz verrecken“
Ein anderes Poster zeigt einen Sanitäter in Kampfmontur. Statt des ursprünglichen Slogans „Voller Einsatz für den Frieden“ steht dort nun „Voll im Einsatz verrecken“. Mit einem ergänzenden Spruch macht die Werkstatt für Antifaschistische Aktionen auf ihrem Adbusting auf das Berufsrisiko aufmerksam, das das Militär in seinen Imagekampagnen lieber unerwähnt lässt: „Blei fressen schadet nicht nur der Leber.“
Sexistische Übergriffe im Militär
Den Originalslogan „Das Gefühl, wenn eine ganze Armee hinter dir steht“ ergänzten die Aktivistinnen der Werkstatt lediglich mit nachdenklich stimmenden Auslassungspunkten „…“. Das Poster zeigt zwei Soldaten, die hinter einer Soldatin stehen, deren Gesicht die Aktivist*innen mit einem kotzenden Smiley überklebten. Ein gelber Textkasten erklärt das Problem: „Bei uns vergeht kein Tag ohne sexualisierte Gewalt.“
Luca Klatt erklärt: „Das Militär ist eine Brutstätte für toxisch männliche Dominanzkultur und sexistische und queerfeindliche Übergriffe.“ In einer internen Studie kam die Bundeswehr zu dem Ergebnis, dass das Risiko, Diskriminierung zu erfahren, für Frauen im Militär dreimal so hoch wie im bundesweiten Arbeitskontext ist. „In ihren Imagekampagnen gibt sich die Bundeswehr gerne als bunt und divers. Mit der Realität hat das nichts zu tun“, sagt Luca Klatt dazu.
Freiheit oder Verderben?
Ein weiteres Motiv zeigt zwei mit Raketen bestückte Kampfjets. Die Werbeagentur der Bundeswehr dachte sich dazu den Spruch „Mit Mach 2 für die Freiheit fliegen“ aus. Auf den nun in den Werbevitrinen hängenden Adbustings steht stattdessen „Mit Mach 2 das Verderben bringen“. Kampfjets der deutschen Luftwaffe haben zum Beispiel 1999 bei der völkerrechtswidrigen Bombardierung Jugoslawiens mitgemordet.
„Mörderisch Präsenz zeigen“
Ein Plakat zeigt zwei U-Boote der Marine und im Original den Slogan „Unsichtbar Präsenz zeigen“. Die Adbuster*innen der Werkstatt für Antifaschistische Aktionen machten daraus „Mörderisch Präsenz zeigen“. Außerdem fügten sie eine abgefeuerte Rakete hinzu.
„Besondere Möglichkeiten“
Die Werbeagentur Castenow schreibt auf ihrer Webseite, worum es bei der neuen Werbekampagne des Militärs geht: Die Bundeswehr präsentiere sich mit der neuen Kampagne selbstbewusst als „Arbeitgeber der besonderen Möglichkeiten“. Luca Klatt dazu: „Mit unseren Adbustings zeigen wir auf, was die besonderen Möglichkeiten im Militär wirklich sind: Töten und getötet werden, Machtmissbrauch und Unterordnung, Kameradschaft mit Nazis und Sexist*innen.“ Die unkritische öffentliche Selbstdarstellung des Militärs dürfe nicht unwidersprochen bleiben: „Auch bei der nächsten Werbekampagne dürfen sich die Bundis also schonmal auf uns gefasst machen!“
Mitmachen?
Wer auch kreative Protest-Aktionen gegen Krieg und Militär in Deutschland und weltweit machen möchte, in in der Werkstatt für Antifaschistische Aktionen herzlich willkommen. Die nächste Gelegenheit, die in der Werkstatt Aktiven kennen zu lernen, ist ein Bastel-Wochenende vom 22. bis 24.11. unter dem Motto „Rob dictators of their army!“ Luca Klatt erklärt: „Wir basteln da Poster, die Asyl für Kriegsdienstverweigerer aus Russland und Belarus fordern.“
Mehr Infos:
https://antifawerkstatt.noblogs.org/