Oktober 2022: Endlich nach fast drei Jahren kann der Bundesausschuss der DFG-VK (BA) wieder in Präsenz stattfinden. Wir freuten uns sehr, mal wieder alle in echt zu sehen. Doch die Freude währte nicht lange: Obwohl es auf dem Treffen viel um konsensuelle Entscheidungsfindung ging, zeigten sich sehr schnell einer Friedensorganisation unwürdiges männlich-dominantes Redeverhalten, Mackerigkeit und Kritikunfähigkeit. Ist das Konsens-Prinzip ein Mittel dagegen? Nein, sagen unsere BA-Delegierten aus der Antimilitaristischen Aktion Berlin (amab).
Selbstbeweihräucherung und Silencing
Deli1: Mit uns eingefunden hatten sich in Kassel insgesamt knapp 20 weitere Delegierte. Das Programm des BA stand eigentlich unter dem Zeichen der Achtsamkeit. Die AG Konsens hatte einen Workshop zum Konsens-Prinzip und eine Erprobung des ganzen vorbereitet. Den Workshop leitete eine externe Referent*in. Unter ihrer Ägide sammelten wir Merkmale einer guten Entscheidung (Harald hat das Tafelbild netterweise abgetippt, vielen Dank dafür).
Deli 2: Hier beweihräucherten wir uns gegenseitig mit vielen wünschenswerten Sachen, die wir natürlich alle gerne in unser Selbstbild inkludieren, wie: „Einander zuhören“, „Toleranz und Respekt“, „Kooperationswille“, „kurz und prägnant sprechen“, „Perspektivenwechsel zulassen können“, „Bedürfnisse anderer ernst nehmen“, „Gleichberechtigung“, usw. Wer aufgrund seiner Erfahrungen mit der DFG-VK jetzt kichert, ahnt schon was kommt, denn leider entsprach der Fortgang des BAs diesen hochgesteckten Selbstbildern nur sehr bedingt.
Deli 1: Bereits beim Sammeln dieser schönen Dinge sagte die Workshopleitung: „Ihr braucht euch nicht zu melden, ruft das einfach so rein!“ Wer die DFG-VK kennt, weiß, dass das ne ganz schlechte Idee ist…. und so kam es auch.
Deli 2: (nickt): Um den anderen Delegierten aufzuzeigen, dass ich etwas beitragen möchte, meldete ich mich trotzdem sehr deutlich sichtbar. Trotz der deutlichen Meldung war die Achtsamkeit im Raum so gering, dass dreimal irgendwelche anderen Leute ohne Rücksicht auf das deutliche Handzeichen ihre Redebeiträge einfach so einwarfen. Daraufhin beschloss ich, auch einfach dominant losplappern zu müssen. Doch trotz dieses Vorsatzes waren noch zweimal andere Personen unsensibler und schneller. Meine Erkenntnis: „Okay…, dann muss ich auch echt richtig rücksichtslos gleich im Anschluss losplappern, da man hier sonst nicht zu Wort kommt… Gedacht, getan! Und schwupps!: Einer der wenigen FLINTA-Personen im Raum das Wort abgeschnitten… Wenigstens hab ich mich sofort entschuldigt.
Stänkern gegen Berlin
Deli 1: Auch während der weiteren Workshopphase war von Achtsamkeit, Toleranz, Respekt, Bedürfnisse anderer ernst nehmen nicht besonders viel zu bemerken. Denn leider konnten es bereits von Beginn des Konsens-Workshops an einige schon seit langem engagierte Delegierten nicht lassen, ganz gezielt gegen uns aus Berlin zu stänkern.
Deli 2: Statt das Sammeln von Punkten und Positionen anderer Leute angemessen über sich ergehen zu lassen, sorgte recht schnell unser Punkt, dass eine dezentrale Entscheidungsfindung sehr wichtig sei, als einziger Punkt für Widerspruch. Dazu postulierte die Workshopleitung auch noch, dass es wichtig sei, sich auch mal auf eine sogenannte „Meta-Ebene“ zu begeben, und zu schauen, ob ein Anliegen oder ein Bedenken gerade wirklich wichtig sei. Wer dann entscheidet, was wirklich wichtig und was ein wirkliches Bedenken sei, nannte sie leider nicht.
Deli 2: Das ist nichts anderes als ein Silencing-Mechanismus. Auf der einen Seite quatschen wir über schöne Dinge wie „einander ernst nehmen“, „Bedürfnisse und Bedenken sehen“, etc. und gleichzeitig maßen die Vertreter*innen des Konsens-Prinzips es sich selbstverständlich unterschwellig an, auf einer angeblichen „Meta-Ebene“ definieren zu können, was „wirklichen Bedenken“ seien und was man getrost beiseite ignorieren dürfe.
Kritik ist autoritär?
Deli 1: Aber es wurde alles noch krasser. Durch die Wertung der Workshopleitung bestärkt beschwerte sich einer der Delegierten, dass unsere gut belegte Kritik am Wirken diverser Leute aus der Friedensbewegung „autoritär“ sei. Eine weitere Person fand es angemessen und vermutlich lustig, dabei mit zur Pistole geformten Fingern auf uns zu zeigen. Und am nächsten Tag resümierte einer der Delegierten während des laufenden Plenuns, das „wir wohl mal gemeinsam vor die Tür gehen“ müssten, um die inhaltlichen Konflikte auszutragen.
Deli 2: Selbstverständlich versäumte unsere sehr um gewaltfreie Kommunikation bemühte Workshopleitung es leider, einen sicheren Diskussionsrahmen mittels Intervention herzustellen. Angesichts dessen entschlossen wir uns, das Ding zu fronten und sowohl den anderen Delegierten als auch der Workshopleitung ne deutliche Ansage zu machen.
Deli 1: Praktischerweise standen wir beide nacheinander auf der Redeliste. Ich intervenierte angesichts der angeblich neutralen Inszenierung der Workshopleitung zur Metaebene mit der Anmerkung „Wer entscheidet das? Ich finde den Punkt sehr wichtig“.
Deli 2: Und ich griff die Fingergeste und den Vorwurf des Autoritären auf und konfrontierte die Workshopleitung mit meiner Erwartungshaltung, dass sie bei so etwas intervenieren müsse. Das hatte zur Folge, dass die Workshopleitung mindestens schnallte, dass wir den Workshop zerlegen, wenn sie es nicht schafft, halbwegs für einen sicheren Raum und eine angemessene Redekultur zu sorgen und sie sich dann angemessener verhielt.
Deli 1: Dass wir der Moderation da so in die Parade fahren mussten, trägt auch nicht gerade zu einer angenehmen Redekultur bei. Aber viele andere Optionen sehen wir bei so einem Silencing-Mechanismus nicht. Das Problem ist vor allem, dass Leute, die da nicht so selbstbewusst auftreten wie wir, vermutlich längst untergebuttert wären und die Klappe halten oder völlig berechtigt nie wieder zum BA kommen.
Deli 2: Obwohl wir in Berlin in der Antimilitaristischen Aktion und auch im Landesverband ans Konsensverfahren angelehnte Debatte-Verfahren praktizieren, stehen wir dem Ansinnen auf Bundesebene recht skeptisch gegenüber. Das liegt vor allem an unserer Vermutung, dass viele, die im BA Konsens gut fänden, dies vor allem wollen, um Kritik und Widerspruch unsichtbar machen zu können. Diese Befürchtung konnte der Workshop leider nicht ausräumen.
Deli 1: Eher im Gegenteil… Aber so problematisch der Workshop auch war, so hatte er doch wenigstens die Folge, dass wir im BA einmal halbwegs sachlich darüber reflektiert haben, wie die Entscheidungsfindung bisher im BA läuft. Diese Reflektion empfanden wir als sehr gewinnbringend.
Konfliktkommission?
Deli 2: Der nächste Punkt auf der Tagesordnung betraf die beim Bundeskongress eingerichtete Konfliktberatungskommission. Das ist eigentlich ne gute Idee und das vorgestellte (bisher nicht verabschiedete) Konzept ist in unseren Augen recht gut gelungen. Lediglich ein Satz ist in unseren Augen problematisch:
„Die Mitglieder [der Konfliktberatungskomission] sollen möglichst Kenntnisse in gewaltfreier Kommunikation, Mediation, Schlichtung oder ähnlichen Methoden allparteilicher Konfliktbearbeitung besitzen.“
Deli 2: Wir glauben, dass eine solche Qualifikation schlicht überflüssig ist. Die Kommission soll nicht selber schlichten oder vermitteln, sondern dies lediglich unter Zuhilfenahme von bezahlten Profis organisieren und anbahnen. Dafür braucht es Menschen, die gut kommunizieren und organisieren können und in weiten Teilen des Verbandes Vertrauen genießen.
Deli 1: So wie der Satz da jetzt steht, wird er jedoch trotz der „Soll“-Formulierung normative Kraft entfalten. Bei der nächsten Wahl in zwei Jahren wird garantiert jemand die Kandidat*innen nach ihrer Mediator*innenausbildung fragen. Und wer die dann nicht hat, ist gleich im Nachteil. Diese Bedenken haben wir auch eingebracht. Leider ohne Erfolg.
Was ist „echter“ Konsens?
Deli 2: Nach der Sitzung beim Pizza essen haben wir einen in der Konfliktberatungskommission und in der AG-Konsens aktiven Delegierten angesprochen, um nett freundlich konsensorientiert eine Lösung zu finden. Der Delegierte sagte uns, dass er unsere Bedenken nicht ernst nehmen könne, weil es keine wirklichen Einwände seien. Sein Hauptargument war, dass ja eh egal sei, was an dieser Stelle steht, weil ja trotzdem prinzipiell jede*r gewählt werden darf. Als wir anmerkten, dass wenn es seiner Meinung nach so egal ist, wir es ja auch einfach streichen können, blieb er dennoch auf seinem Standpunkt.
Deli 1: Schließlich erklärte er irgendwann, dass es schlicht „schade wäre, wenn es in der Konfliktberatungskommission niemanden mit solchen Erfahrungen gäbe“. Wir waren begeistert von dieser Formulierung, die viel offener dafür ist, dass einzelne Kommissionsmitglieder keine der angeblich wichtigen Qualifizierungen haben. Prompt schlugen wir dem Delegierten vor, den diskutierten Satz mit dieser Formulierung von ihm zu ersetzen. Davon wollte er jedoch auch nichts wissen. Schließlich fragte ich, ob seine Abneigung gegenüber unseren Vorschlägen daran liegt, dass sie von uns kommen. Er antwortete trocken: „Das könnte ein Problem sein“. Als wir ihm mehrfach spiegelten, wie krass diese Denkweise den im Konsens-Workshop hochgehaltenen Idealen widerspricht, wollte er seine Aussage leider nicht zurücknehmen.
Deli 2: Auf der einen Seite von Konsens, gegenseitig ernst nehmen, etc. reden, und dann so ein Verhalten. Dass der nicht einmal merkt, wie sein Verhalten die Glaubwürdigkeit seines Engagement für die AG Konsens und die Konfliktkommission untergräbt! Mir war das dann zu doof, bin aufgestanden und hab das Gespräch mit der Bitte beendet, dass ich mich sehr freuen würde, wenn er unser Gespräch in Ruhe reflektieren und sich das nochmal überlegen könnte.
Old-Mansplaining
Deli 2: Der nach dem Abendpizzaessen folgende Punkt fiel leider aus. Bei den informellen Gesprächen an der Hotelbar war es auf der einen Seite recht nett, auf der anderen Seite ist unser Bedarf an Opas, die uns die Welt erklären, aber sich nicht wirklich für unsere Positionen interessieren, echt erstmal gedeckt. Krass war, wie viele der hinterher eigentlich ganz netten Gespräche mit irgendeinem Diss begannen, dem wir dann offensiv mit so einem frech-subversiven Kommentar, der das Gegenüber zum Nachdenken bringt, kontern mussten, bevor man sich ernsthaft unterhalten konnte. Beispiel: „Ihr nehmt dass alles nicht ernst genug“ „Haha, war der Vorwurf nicht eben noch, dass wir das alles viel zu ernst nehmen?“ Wir würden uns freuen, wenn wir in Zukunft mal gemeinsam dieses Macker-Verhalten, ohne das man offensichtlich bisher nicht ernst genommen wird, reflektieren und vielleicht auch abstellen könnten.
Geld für Friedensschwurbel-Songwettbewerb
Deli 1: Der Sonntag startete mit Antragsberatungen. Der Delegierte aus NRW setzte durch, dass über einen Antrag der Gruppe Bonn-Rhein-Sieg gesprochen wird. Die Gruppe Bonn-Rhein-Sieg veranstaltet regelmäßig einen Friedenssongwettbewerb. Und dafür möchte sie Geld…
Deli 2: Unser Problem damit ist, dass die Gruppe Bonn-Rhein-Sieg uns zuletzt damit auffiel, dass sich ein Mitglied auf ihrer Homepage darüber echauffierte, dass die Verschwörungswahnsinnigen von DIE BASIS beim Ostermarsch nicht offen mit Insignien und allem drum und dran mitmachen durften. Die Entgegnung eines anderen Mitglieds war nicht weniger problematisch und eher am Thema vorbei als eine deutliche Distanzierung vom rechtsoffenen Verschwörungs-Corona-Quark. Mit diesem Argument war es uns bisher gelungen, die Beschlussfassung zu vertagen. Der Delegierte aus NRW trug nun vor, dass es Gespräche gegeben habe, und nun alles wieder in Ordnung sei.
Deli 1: Dies bezweifeln wir… Die Homepage ist zwar komplett neu aufgesetzt, doch das einzige DFG-VK-Logo, das beim Verschwörungswahn-Festival pax terra durchgeschwurbelca bis vor kurzem auf der Internet-Seite zu sehen war, war ausgerechnet das Logo des Song-Contests. Darüber hinaus prämierte der Songwettbewerb ausgerechnet die Band „Corona Bavaria“. Diese Band tourt in Bayern von Wahnwichtel-Demo zu Wahnwichtel-Demo und sowohl inhaltlich wie künstlerisch gibt es in unseren Augen keinen Grund, diese Band auszuzeichen. Weswegen wir annehmen, dass die Band politisch motiviert gerade wegen ihrer Eigenenschaft als Corona-Spinner*innen-Schlagerband ausgezeichnet wurde.
Deli 2: Doch leider konnten wir diese Argumente kaum anbringen. Kaum ein Redebeitrag unsererseits, der ganz gewaltfrei unterbrochen oder gar nieder geschriehen worden wäre. Ein Highlight aus der Debatte: „XY, es ist total störend und respektlos, wenn Du mich ständig unterbrichst.“ „Nein ist es nicht!“ „Doch ist es.“ „Ist es nicht.“
Deli 1: Ja, dass war unfreiwillig komisch. Ein anwesender Gast wies sachlich daraufhin, dass er das ständige Unterbrechen und uns nicht ausreden lassen auch sehr irritierend fände und er am Rede-Verhalten der Berliner Delegierten in dieser Sitzung nichts auszusetzen habe. Reaktion: „Aber die E-Mails!“
Deli 2: Viele im BA haben ein Problem damit, dass wir quellengestützt auf den Mailinglisten auf Sachen hinweisen, die uns nicht passen und diese Dinge auch noch mit den unseren Augen angemessenen Bezeichnungen wie „Antisemitismus“, „Antiamerikanismus“, „Pressefeindlichkeit“, „Verschwörungswahn“, „Geschwurbel“, „Sexismus“ oder „Rassismus“ versehen. Doch statt sich mit der Kritik inhaltlich auseinander zu setzen, neigen zu viele Alteingesessene dazu, Kritik beiseite zu schieben und sich gegenseitig in unmöglichem und sehr vereinsschädigendem Verhalten zu bestärken…
Deli 1: Gleichzeitig kommt an dieser Stelle regelmäßig der Vorwurf, wir seien intolerant oder autoritär. Doch was ist intoleranter, als Redebeiträge zu unterbrechen und niederzubrüllen, weil einem die geäußerte Kritik nicht passt?
Deli 2: Eine häufig geäußerte Entschuldigung ist, dass das kritisiert zu werden ja so unglaublich überfordernd emotional sei und dass man deshalb die Kritik niederbrüllen täte.
Deli 1: (lacht)
Deli 2: Wie problematisch das Argument ist, wird hoffentlich schon durch unsere leicht ironisierende Darstellung deutlich. Doch es lohnt sich, das Argument einmal genau zu betrachten. Da sind Leute, die klassische cis-männliche Identitäten performen und sich noch am Nachmittag vorher damit beweihräuchern, dass sie bei Entscheidungsfindungen „pragmatisch“, „tolerant“ und „respektvoll“ „zuhören“ könnten, „kurz“ und „prägnant“ sprächen und „legitime Verfahren“ wie „einander ausreden lassen“ und „alle halten sich dran“ vertreten würden. Es sind außerdem Leute, die Menschen mit anderen Position liebend gerne vorwerfen, sie seien „naiv“, „pubertär“, etc. Und genau diese Leute werden bei Kritik an ihrer Praxis jetzt so „emotional“, dass sie alle vorher von ihnen vertretenen Selbstbeweihräucherungswerte beiseite schieben und einfach lospöpeln.
Deli 1: Auf das Argument mit der emotionalen Überforderung ging die auf angeblich „Gewaltfreie Kommunikation“ stehende Workshop-Leitung na klar auch noch voll ab. Sie kritisierte die Moderation des strittigen Tagungsordnungspunkts ausgerechnet dafür, dass diese die dazwischen pöbelnden Delegierten mit Verweis auf die Redner*innenliste in die Schranken gewiesen hatte. Man solle emotional unter Druck stehende Menschen nicht mit Regeln noch mehr unter Druck setzen, sondern könne sie zum Beispiel auch einfach mal ran lassen.
Deli 2: Wir haben dann beide erklärt, dass das genau eine der befürchteten Silencing-Taktiken ist, wenn die Leute, die am lautesten Brüllen, die anderen mundtot machen dürfen, wenn sie dabei nur ganz „emotional“ sind. Plötzlich wollte sie nur noch gesagt haben, dass die Moderation den betroffenen Störer verständnisvoller in die Schranken weisen hätte können.
Deli 1: Aber wir greifen schon auf den nächsten Teil vor. Also Kurzfassung um zum Ende zu kommen: Nach fast 45 Minuten Bullshit-Diskussion wurde der Antrag letztlich gegen unsere Stimmen und eine Stimme aus MV…
Deli 2: unterbricht: Stabil!
Irritierter Blick von Deli 1: …angenommen. Die enorm das Ansehen der DFG-VK in der Öffentlichkeit beschädigende Friedenssongcontest bekommen also weiter Geld von der DFG-VK… Aber hier ist ja niemand rechtsoffen und das denken sich die Nato-Fans in den Medien bloß aus, um uns zu diffamieren…
Konsens-Verfahren
Deli 1: Im Anschluss daran übernahm die externe Referent*in wieder die Moderation und es ging los mit der Antragsberatung zum Antrag aus Bayern. Beantragt wurde, dass wir zukünftig nicht nur den Gesamthaushalt am Ende, sondern bereits vorher auch die aufzunehmenden Einzelanträge mit 2/3-Mehrheit beschließen mögen…
Deli 2: unterbricht: Spoiler: Angenommen.
Deli 1: Sag mal, sind die Herrschaften schlechter Einfluss für Dich? Oder wirkt sich das Ü35 sein schon auf deinen Gemütszustand und dein Redeverhalten aus? Wo war ich? Zum Konsensverfahrensversuch vorab gleich mal etwas positives: Dass wir uns konkret über die angestrebte Zielsetzung einer Beschlussfassung vorab verständigt haben, empfanden wir als sehr sinnvoll. Das sollten wir beibehalten.
Deli 2: (nickt): Doch bereits bei der Zielfeststellung offenbarte sich die silencende Wirkung des Verfahrens. In der Debatte zeigte sich, dass in den Antrag zwei Ziele hineininterpretiert werden:
a) Haushaltskonsolidierung (stimmen wir zu) b) zentralisierte Schwerpunktsetzung der Arbeit der DFG-VK mittels des Haushaltsregimes (lehnen wir ab). Wir finden die Wald- und Wiesenschwerpunktsetzung mit jede Menge Orchideen, die sich aus der gelebten Basisdemokratie des Verbandes ergibt, gut. Da muss sich in unseren Augen nichts ändern.
Trotzdem ließ die Redeleitung beide Ziele abstimmen als „Haushaltskonsolidierung“ und „sinnvolle Schwerpunktsetzung“. Ich hatte vorher meine Dissens aufgezeigt und begründet. Angesichts des vorgeschlagenen Vorgehens stellte ich eine Fangfrage: „Ich finde die jetzige Schwerpunktsetzung gut und sinnvoll. Da muss sich nichts ändern. Stimme ich dem Ziel dann zu oder habe ich dann Bedenken?“ – „Dann stimmst du zu“. Na klar!
Deli 1: Das Problem ist, was man unter „sinnvoller Schwerpunktsetzung“ versteht. Es gab eine Fraktion, die der Ansicht war, sowas hätten wir bisher nicht und sich darunter ein zentral vom BA gesetztes Programm vorstellte. Und es gab eine Fraktion (ich glaube eigentlich nur du und ich), die fanden, dass wir sehr wohl eine sinnvolle Schwerpunktsetzung haben, nur der BA darüber halt nicht zentral entscheidet. Und diese beiden Sichtweisen wurden nicht voneinander getrennt und dann wurdest du der Zentralkommitee-Fraktion zugedichtet, weil du eine „sinnvolle Schwerpunktsetzung“ an sich gut findest. Da sind wir ja auch wieder beim Konsens-Workshop, bei dem alleinig unser Punkt mit der dezentralen Entscheidungsfindung als irrelevante Meta-Ebene abgetan wurde.
Deli 2: Warum nennen die ausgerechnet uns nochmal autoritär?
Deli 1: Bitte halte dich an unseren Konsens: Wir hatten vereinbart, dass wir hier ein ganz seriöses Interview abliefern und nicht zynisch rumdissen. Bitte halte Dich dran.
Deli 2 Der letzte BA zeigte, dass wir ein krasses Problem mit männlich-dominanten Redeverhalten haben. Dies wird die Einführung eines Konsens-Verfahrens nicht lösen. Im Gegenteil, die verschiedenen Möglichkeiten der Manipulation und die echt freche Sichtweise, dass irgendwer auf einer „Meta-Ebene“ für alle gültig definieren könne, was gerade „wirklich wichtig“ sei, wird Einspruch und Gegenrede gegenüber den ob der Kritik an ihrem Verhalten und inhaltlichen Positionen ganz emotionalen Herrschaften eher schwerer machen, weil man ja ganz intolerant den angeblichen Konsens nicht akzeptiere.
Deli 1: Wenn es wirklich darum gehen soll, männlich-dominantes Redeverhalten zurückzudrängen, muss es statt einem Konsens-Nonsens Widerspruch, Kritik und inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Problem geben. Die Art und Weise der Beschlussfassung ist nicht das Kernproblem und somit hilft Rumgedoktere daran schon ganz prinzipiell nicht.
Deli 2: Man hat es außerdem in diesem Interview jetzt mehrmals gemerkt: Die im Konsens-Verfahren impliziten Silencing-Mechanismen lösen auch bei uns ein mackrigeres Auftreten auf, weil wir sonst Gefahr laufen, dass unser Standpunkt einfach weggebügelt und unsichtbar wird. Das selbe Problem haben wir bei einem Moderationsstil, der auf Redelisten scheißt, indem es entweder gar keine gibt (wer reden will, soll einfach wild dazwischenrufen) oder indem laut rumbrüllende Mannsbilder…
Deli 1: Hey, wir wollten wertschätzende Begriffe verwenden…
Deli 2: … laut rumbrüllende Herrschaften bevorzugt werden. Wer in so einer Dynamik nicht untergehen möchte, muss dann selbst dazwischen rufen und dem Gebrülle etwas entgegensetzen. Auf der Strecke bleiben all diejenigen, die das aus verschiedenen Gründen nicht können oder wollen. Die werden dann von der Gruppendynamik genauso mundtot gemacht. Und durch unsere nicht unbedingt weniger mackerige Reaktion verschärfen wir die Dynamik noch.
Deli 1: Lasst es uns nicht schlimmer machen, als es ohnehin schon ist. Die im Konsens-Workshop erarbeiteten Selbstansprüche sind gut. Wir sollten mal mit deren Umsetzung beginnen. Vielleicht wird es ja irgendwann nicht mehr nötig sein, dass in die Moderation eines BAs ständig Leute ermahnen muss. Dann haben wir gemeinsam wirklich was erreicht.