„Munition und Menschenleben: Bisschen Schwund ist immer.“ So dürfte sich die Bundeswehr die Bewerbung des heutigen Gelöbnisses des Wachregiment am Abgeordnetenhaus nicht vorgestellt haben. Rund um den Veranstaltungsort kaperte laut Indymedia die antimilitaristische Kommunikationsguerilla-Gruppe „GelöbNix 2.0“ unerlaubt Werbevitrinen. Über 30 gefälschte Poster im Design der Bundeswehr hingen in den Vitrinen. Eines der Poster trägt die Aufschrift: „Nicht jeder Soldat ist ein Nazi- Aber verdammt viele Nazis sind Soldatinnen“. Auf anderen Motiven heißt es: „Jeder Tote ist ein kleiner Schritt zum Weltfrieden“ und „Wir suchen Klimakiller. m/w/d“. „Mit der Aktion wollen wir zeigen, wofür die Bundeswehr wirklich steht“ sagt Boris Pistolenschuss, Sprecherin der Kommunikationsguerilla-Gruppe „GelöbNix 2.0“. Die Bundeswehr sei keine demokratische Armee, sondern ein zum Töten ausgebildeter Nazi-Prepper-Haufen, der alles unterhalb der Größe eines Schützenpanzers aus Kasernen klaue. „Statt diesen Laden weiter aufzurüsten sollte der Wehretat lieber in den Schutz des Klimas investiert werden.“
Warnwesten machen unsichtbar
Die 30 gefälschten Poster hängen in den Straßen und Bahnstationen rund um das Abgeordnetenhaus. „Genauer sagen wir das nicht, wir wollen der Werbefirma ja nicht beim Einsammeln helfen…“ sagt Boris. Die weitreichenden Absperrungen, die die normale Bürger*in aus der Mitte der Gesellschaft vom Gelöbnis fernhalten sollten, wirkten gegen die Guerilla-Gruppe nicht: „Warnwesten wirken wie postmoderne Unsichtbarkeitsmäntel…“ sagt Boris.
Wolfsrudel im Wachregiment
Wie wenig exzellent das Wachregiment im Verteidigen der freiheitlich-demokratischen Grundrechte ist, zeigt ein handfester Naziskandal. Im Oktober 2021 meldete der Spiegel, dass es im Wachregiment eine Nazigruppe namens »Wolfsrudel« gebe. Auch gegen Unteroffiziere werde ermittelt. Im Alltag des Regiments hätten Ausbilder Soldatinnen rassistisch beschimpft, Rektrutinnen hätten T-Shirts mit einer schwarzen Sonne und der Aufschrift »Sonnenstudio 88« getragen. Auf der Rückseite sei der Schriftzug »Wir sind braun« zu lesen gewesen. Kein Einzelfall: Ein bereits 2017 an den MAD gemeldeter Sympathisant der »Identitären Bewegung« durfte dort bis Sommer 2021 weiter Dienst leisten.
Youtube-Serie voller Nazi-Symbole
Das Verfahren gegen das „Wolfsrudel“ wurde ein Jahr später ohne Ergebnis eingestellt. Angeblich gäbe es keinen Anfangsverdacht. Dafür hätte die Justiz jedoch bloss die Bundeswehr-eigene Youtube-Serie „Semper talis“ über das Wachregiment gucken müssen. Bedenklich ist bereits, was die Soldat*innen in der Serie über ihre Motivation für den Dienst an der Waffe in die Kamera sagen. Es ist zum einen offene Begeisterung für Waffen (»endlich den Karabiner 98k in der Hand halten, das will ich, seit ich in der Bundeswehr bin«), zum anderen, dass der Vater oder Großvater auch schon gedient habe. Man sieht einen Ausbilder, der die Rekruten mit der Drohung »Disziplin ist das A und O. Macht mich unglücklich, und ich mach euch unglücklich« begrüßt und nach einem Stramm-steh-Wettbewerb einen anderen Ausbilder schikaniert. Beim Sport trägt der Unteroffizier ein selbstgemachtes Fanshirt seiner Kompanie, das altdeutsche Schrift und eine drohend geschlossene Faust zeigt.
Altdeutsche Schrift in der Kaserne
Die wenigen Stellen, die das Traditionsverständnis der Einheit behandeln, zeigen unkritische Positivbezüge auf preußische und kaiserliche Armeen. Dass diese Militärs autoritäre Staaten schützten, die selbstverständlich Angriffskriege für eine imperiale Politik führten, wird ausgeblendet. Passend dazu sind die in der Serie gezeigten Innenräume der Kaserne flächendeckend mit altdeutscher Schrift verziert.
Sexuelle Belästigung
Auch das Statement des das Regiment kommandierenden Oberstleutnant Hans Domrich schafft wenig Vertrauen: »Wir sind exzellente Kämpfer, (…) die die freiheitlich demokratische Grundordnung verteidigen. Weil wir darin so gut sind, (…) haben wir den ehrenvollen Auftrag, diesen Staat zu repräsentieren durch unseren protokollarischen Dienst«. Domrich war nicht besonder gut im Grundrechte verteidigen. Er wurde mittlerweile gefeuert, weil er das sexuelle Belästigen von Soldat*innen durch seinen Stellvertreter ignorierte.
Was ist Adbusting?
Die hier praktizierte Kunstform nennt sich Adbusting; ein Kofferwort aus dem englischen „Advertising“ (Werbung) und „to bust“ (kaputtmachen, stören). Dabei wird Werbung mit Farbe, Papier und Schere so verändert, dass sich der Sinn der ursprünglichen Botschaft ins Gegenteil verkehrt.
Trotz Terrorzentrum schutzlos
Die Bundeswehr ist dieser Kritik im öffentlichem Raum trotz eines millionenstarken Werbeetats, Panzer und Raketen bis heute schutzlos ausgeliefert. Obwohl sich schon das Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern mehrmals mit dem Fälschen von Werbeplakaten beschäftigte, sich die Geheimdienste in mehreren Verfassungsschutzberichten über Adbusting empörten und diverse Landespolizeien mit DNA-Analysen nach den Künstlerinnen fahndeten, stellten Gerichte und Staatsanwaltschaften Strafverfahren immer wieder ein. Gerade erst entschied das Bundesverfassungsgericht, das die Berliner Polizei illegal Hausdurchsuchungen bei Adbusterinnen durchgeführt hatte:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/bvg23-121.html
Selber Adbustings machen?
Wer selbst mal umgebastelte Werbeposter in die städtischen Vitrinen hängen möchte, findet im Internet alle nötigen Informationen. Wie Werbevitrinen aufgehen, wird hier erklärt:
https://de.indymedia.org/tutorial/27605
https://bbsc.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/782/2020/03/anleitung.pdf
Wer darüber hinaus Inspirationen sucht und Papier mag, dem sei das Buch „Mega Unerhört“ vom Berlin Busters Social Club empfohlen:
Mehr Infos zu Nazikram im Wachregiment: