Besonders seit den Massakern der Hamas am 7. Oktober letzten Jahres, aber auch schon vorher, kommt es in der DFG-VK zu antisemitischen Vorfällen. Die Handreichung „Prüfsteine und Stolperfallen im Israel-Palästina-Konflikt“ lehnte der Bundesausschuss in seiner Sitzung am 6. Juli 2024 mit großer Mehrheit ab. Wir veröffentlichen sie hier nun trotzdem.
Keine Diskriminierung in der DFG-VK?
Laut der Satzung der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsgegner*innen (DFG-VK) setzen wir uns dafür ein, „dass niemand rassistisch behandelt wird oder wegen seines Geschlechts, seiner sexuellen Identität, seines Alter, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner sozialen Lage, seiner Herkunft, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder seiner Behinderung benachteiligt wird.“
Antisemitische Vorfälle
Trotzdem kommt es im Umfeld der DFG-VK immer wieder zu antisemitischen Vorfällen. Seit dem 7. Oktober 2023 hat die Anzahl von antisemitisch geprägten Demonstration und Hasskundgebungen gegen Israel drastisch zugenommen. Leider wurden und werden solche Veranstaltungen auch immer wieder von Gliederungen der DFG-VK unterstützt oder mit organisiert. Diesen Monat rief zum Beispiel die DFG-VK Köln mit zu einer „Menschenkette für ein Ende des Tötens in Palästina“ auf. Zu beobachten waren dort neben den üblichen Israelhass-Kampfbegriffen auch Hamas-Dreiecke (im Video bei 5:33). Hamas-Dreiecke sind nichts anderes als ein offener Aufruf zum Morden von Jüd*innen.
Israelhass und fehlende Sensibilisierung
Grund für die Beteiligung der DFG-VK an solchen Veranstaltungen ist neben weit verbreitetem Israelhass auch eine absolut fehlende Sensibilisierung und massive Unkenntnis bezüglich antisemitischer Phänomene in unserem Verband. Deshalb haben wir mit anderen Mitgliedern am Anfang des Jahres innerhalb des Bundesausschusses (BA) die Arbeitsgemeinschaft „Prüfsteine“ gegründet. Die Idee war, gemeinsam einen leicht verständlichen Leitfaden zu erstellen, anhand dessen Aktive Projekte und Kooperation gegen die typischen antisemitischen „Stolperfallen“ absichern können.
„Prüfsteine“ abgelehnt
Am 6. Juli 2023 hat die AG Prüfsteine dem Bundesausschuss das Dokument „Prüfsteine und Stolperfallen im Israel-Palästina-Konflikt: Hinweise für Mitglieder und Gliederungen der DFG-VK“ zur Diskussion und Beschlussfassung vorgelegt. Ergebnis: Der BA lehnte die „Prüfsteine“ mit großer Mehrheit ab.
Kritik am Thema vorbei
Die inhaltliche Kritik an unserer Handreichung beschränkte sich vor allem darauf, dass sie die Geschichte des Nahostkonflikts nicht mega hyper vollständig darstellen täte. Das war war auch gar nicht das Ziel des Textes, der vielmehr die häufigsten Probleme im Umgang der Friedensbewegung mit dem Nahostkonflikt aufzeigen soll, damit Aktive sie erkennen und vermeiden können. Wie sollte eine umfassende historische Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt auch auf zwei Seiten möglich sein? Obwohl wir im BA darauf hinwiesen, dass eine solche Kritik am Thema vorbei geht, kam sie in der Debatte doch immer wieder.
Delegierte verteidigen Antizionismus
Andere Delegierten störten sich an unserer Definition von „Antizionismus“ (die Ablehnung eines jüdischen Staates), ohne zu erklären, was an der Definition falsch sein soll. Vor allem störte die Delegierten der Satz: „Antizionismus ist nicht mit Zweck und Zielen der DFG-VK vereinbar.“ Mehrere Delegierten wiesen darauf hin, dass Antizionismus und Antisemitismus nicht dasselbe sei. Dieses Argument wird häufig zur Immunisierung gegen den Vorwurf des israelbezogenen Antisemitismus angebracht. Auch solche Äußerungen gingen im Grunde völlig am Thema vorbei, da unsere „Prüfsteine“ Antizionismus als ein eigenes Phänomen betrachten und kritisieren.
Reflexhafte Ablehnung
Einzelne Delegierte argumentierten verhältnismäßig konstruktiv gegen die ein oder andere Stelle im Text. Die große Mehrheit lehnte ihn leider eher reflexhaft ab. Viele Delegierten beschwerten sich, dass sie nicht an der Überarbeitung des Textes beteiligt waren. Für die Überarbeitung des Textes und die Treffen der AG hatten wir rechtzeitig verbandsöffentlich eingeladen. Außerdem hatten wir uns im Vorfeld einen Vortrag einer Referent*in der Amadeu-Antonio-Stiftung zum Thema „israelbezogener Antisemitismus“ angehört. Bei beiden für alle Mitglieder zugänglichen Terminen war die Beteiligung denkbar niedrig. Und dann dürfen wir uns beim BA anhören, wir wollten unsere Meinung durchdrücken, ohne Gelegenheit zur innerverbandlichen Auseinandersetzung gegeben zu haben…
Antrag auf Nichtbefassung mit Antisemitismus
Wie ernst einige Delegierte es mit der „innerverbandlichen Auseinandersetzung“ meinen, turnte ausgerechnet ein Delegierter aus Bayern vor. Gleich zu Anfang stellte er einen Geschäftsordnungsantrag auf Nichtbefassung mit unseren „Prüfsteinen“. Die DFG-VK habe keine Auseinandersetzung mit Antisemitismus nötig. Dabei hat der Landesverband Bayern immer noch keine Konsequenzen aus dem enorm verbandsschädigendem Debakel um die „Münchener Friedenskonferenz“ im Jahr 2020 gezogen. Immerhin wurde dieser Geschäftsordnungsantrag abgelehnt.
Offenbarungseid
Warum macht die DFG-VK nichts gegen ideologisch motivierten Israelhass und Antisemitismus in den eigenen Reihen – also gegen massive Satzungsverstöße – oder gegen plumpes unbedarftes Auftreten einzelner Mitglieder in der Öffentlichkeit? Bei uns entsteht der Eindruck: Eine Mehrheit interessiert sich nicht für die öffentliche Wahrnehmung des Verbands, manche Personen sind zusätzlich in ihrem Hass auf Israel gefangen. Die Bundesebene der DFG-VK beweist damit eine eklatante Unfähigkeit, seriöse Politik zu machen. Das ist ein politischer Offenbarungseid, der uns enttäuscht.
Für die wenigen in unserem Verband, die ernsthaft versuchen, mit ihren Aktivitäten nicht Antisemitismus und Israelhass zu reproduzieren, veröffentlichen wir die Prüfsteine hier.
Der Vorstand des Landesverbands Berlin-Brandenburg, 25.7.2024