Zum zweiten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine veranstaltete das Bündnis „Stoppt das Töten“ eine eigentlich nette Gedenkaktion mit Kerzen vor dem Bundestag. Doch leider wurde auch Christine Buchholz eingeladen, der die Anerkennung der Ukraine als souveräner Staat mit eigenen Interessen irgendwie schwerfällt. Das Bündnis sollte sich von solchen Personen trennen, wenn es eine glaubhafte Alternative zu dem in der Friedensbewegung weit verbreiteten Russland-Fantum bieten möchte. (Dieser Text ist eine kurzgefasste Nachlese und gibt die Meinung des Berichterstatters wieder, nicht notwendigerweise die des Vorstandes. )
Am Freitag, dem 23.2. fand wie angekündigt eine Aktion des Bündnisses „Stoppt das Töten“ in Berlin statt. Zum Aufwärmen gab es vor dem Paul-Löbe-Haus zielgruppenorientierte Musik von Bob Dylan und Bob Marley. Nach einem Redebeitrag von Margot Käßmann ging es auf die Wiese vor dem Bundestag, wo ein großes Peacezeichen aus Grablichtern installiert war. Das war eine sehr schöne Idee und fand viel Anklang. Als foto- und telegenes Motiv wurde es u.a. auch im RBB gezeigt. Im Video auf Instagram ist es auch gut zu sehen. Nach einer Schweigeminute in Gedenken an die Kriegsopfer ging es mit den Kerzen in der Hand weiter in Richtung Brandenburger Tor.
Auf dem Pariser Platz gab es weitere Redebeiträge. Danach ging es weiter bis zur russischen Botschaft. Die Kerzen wurden dann an der Gedenkstelle für Alexei Nawalny abgestellt, es folgen zum Abschluss weitere Redebeiträge. In den Redebeiträgen gab es nicht viel Neues zu hören – wie auch? Wir sind alle entsetzt über das anhaltende Töten und Sterben, über Aufrüstungspropaganda statt diplomatischer Bemühungen – und wir wollen solidarisch sein mit Geflüchteten und Kriegsdienstverweigernden. Die Wiederholung unserer wichtigen friedenspolitischen Positionen bleibt sinnvoll. Am eindrucksvollsten waren wie immer die Redebeiträge der russischen und ukrainischen Kriegsdienstverweigerer.
Im Anschluss an die Veranstaltung wurde der politische Geschäftsführer der DFG-VK vom RBB-Fernsehen interviewt. Die Beteiligung an der Aktion war mit bis zu 250 Personen erwartbar mäßig.
Unverständlich und besorgniserregend für die zukünftige Entwicklung des Bündnisses ist die Entscheidung der Orga-Runde, ausgerechnet Christine Buchholz als besonders kontroverse Person einzuladen. In ihrem Redebeitrag unterstützte sie die essentielle Bündnisforderung nach einem Rückzug der russischen Armee nicht, sondern prangerte hauptsächlich NATO, EU und Deutschland an. Ihre Rede hörte sich so an, als sei die Ukraine ausschließlich ein Spielball imperialistischer Mächte – als hätte die ukrainische Bevölkerung kein Anrecht auf eigene Interessen, die über körperliche Unversehrtheit hinausgehen (das Recht auf Selbstbestimmung etwa).
Mit Frau Buchholz kamen eine ganze Reihe eigentlich unerwarteter Teilnehmer*innen, nämlich Mitglieder bzw. das Umfeld des (ihres?) menschenverachtenden Vereins „Sozialismus von unten“. Diese versuchten durch eine Vielzahl von Plakaten und Flugblattverteilungen eine gewisse Deutungshoheit über die Veranstaltung zu erreichen (was nicht gelang). Aber klar: Wenn man Trotzkist*innen einlädt, muss man sich nicht wundern, wenn sie Trotzkist*innen-Sachen machen.
Fazit: An unseren Veranstaltungen werden nie beeindruckende Menschenmassen teilnehmen. Bei mangelnder Quantität ist die Qualität umso wichtiger – auch im Bündnis „Stoppt das Töten“.
Der Unterschied zwischen 250 und 200 Leuten ist es definitiv nicht wert, Bündnisse mit Leuten einzugehen, die so fragwürdige Positionen vertreten. Zumal das Eingehen solcher Bündnisse uns auch die Tür zu möglichen künftigen Bündnispartner*innen verschließt.
Ergänzung (24. März 2024): Die Berliner Antikriegskoordination kontaktierte uns mit der Bitte, ihre Gegenposition zu diesem Beitrag zu veröffentlichen. In ihrer E-Mail verwies die Berliner Antikriegskoordination auf ihren Aufruf zur Demo, in dem steht: „Wir haben vom ersten Tag an den russischen Angriff auf die Ukraine und Russlands fortgesetzte Eskalation des Kriegs verurteilt. Wir fordern den Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Ebenso verurteilen wir die anhaltende Eskalation seitens der NATO-Staaten, die wie die EU einen Anteil an der Zuspitzung des Konfliktes um die Ukraine hat.“
Christine habe sich, so die Berliner Antikriegskoordination, in ihrem Redebeitrag auch in diesem Sinne geäußert und die Verantwortung der russischen Regierung für den Angriff klar benannt. Die Darstellung dieses Beitrags sei daher eine Verdrehung der Tatsachen. Unklar bleibt, was dieser Beitrag verdreht haben soll: Den Abzug der russischen Truppen forderte Christine Buchholz in ihrem Redebeitrag nicht. Und auf einen banalen Satz zur Verantwortung Russlands („Wir benennen die Verantwortung der russischen Regierung für den Angriff.“) folgen ganze neun Absätze Bashing von NATO, EU und Scholz.
In ihrer E-Mail legt die Berliner Antikriegskoordination auch nochmal nach: „Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass dieser Krieg nicht nur ein Krieg Russlands gegen die Ukraine, sondern auch ein Krieg von Russland und der NATO um die Ukraine ist.“ Es ist genau diese Unfähigkeit, die Ukraine als souveränen Staat anzuerkennen, der die NATO um Unterstützung bittet und nicht etwa von ihr überfallen wird, die dieser Blogpost kritisierte.