Aus Friedensorganisationen, auch der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner:innen (DFG-VK), hat es in den letzten Wochen verschiedene Statements zur aktuellen Lage in Nahost gegeben. Der Vorstand des Landesverbandes Berlin-Brandenburg findet viele davon unangemessen, einige erschreckend, und fragt sich, warum es vielen Friedensbewegten so schwer fällt, den Begriff Antisemitismus zu verwenden.
Der antisemitische Terrorangriff auf die Bevölkerung Israels, die Massaker und Pogrome vom 07.10.2023 haben uns schockiert. Unser Mitgefühl gehört den Opfern dieses Terrors.
Dazu gehören auch palästinensische Zivilst:innen, die der perfiden Strategie der Hamas zum Opfer fallen, die Zivilbevölkerung als „menschliche Schutzschilder“ zu nutzen. Die (klerikal-faschistische) Hamas hat mit ihrem Terrorangriff eindrücklich demonstriert, wie sie sich die Zerstörung Israels vorstellt. Sie greift gezielt alles an, was sie als jüdisch wahrnimmt, und beweist damit, dass sie einem offen eliminatorischen Antisemitismus anhängt.
Unser Mitgefühl gilt auch den Opfern der israelischen Kriegsführung. Das israelische Militär versagt im Kampf gegen die Hamas der Zivilbevölkerung den ihr zustehenden Schutz. Es betrachtet getötete Zivilist:innen als „Kollateralschaden“. Für die Hamas allerdings sind israelische Zivilist:innen die eigentlichen Angriffsziele, wie sie (nicht erst) am 7. Oktober gezeigt hat. Während es Israel um die rücksichtslose Zerstörung einer Terrorgruppe geht, geht es der Hamas nicht um Krieg, sondern um einen Genozid.
Diesen Unterschied weigern sich leider viele „Israel-Kritiker:innen“ in Deutschland zur Kenntnis zu nehmen. Sie erwähnen auch nicht, dass die Hamas für die zivilen Opfer in Gaza Verantwortung trägt, wenn sie die palästinensische Zivilbevölkerung an der Evakuierung hindert, Krankenhäuser als Terrorstützpunkte benutzt und zivile Hilfsgüter für ihre Terrorzwecke benutzt.
Anstatt den mörderischen Antisemitismus der Hamas und ihrer Anhänger auch in Europa zu benennen und ihn klipp und klar abzulehnen, ergehen sich zahlreiche Stellungnahmen aus der Friedensbewegung in einer relativierenden Sichtweise. Exemplarisch sei auf den Demoaufruf der „Palästina-Kampagne“ verwiesen (nakba-ban.org), den auch etliche Organisationen unterzeichnet haben, die sich sonst als Teil der Friedensbewegung verstehen: Kein Wort der Kritik an Hamas und ihrem Terror, völlig einseitige Verurteilung Israels und pauschale Solidarisierung „mit Palästina“. Exemplarisch sei auch die Stellungnahme des Bundesausschusses Friedensratschlag genannt, der Israel vorwirft, es habe den Hamas-Angriff „auf israelisches Territorium“ provoziert. Auch in den DFG-VK-Mailinglisten finden sich immer wieder solche Positionen. Als ob das „Territorium“, und nicht friedliche Menschen, angegriffen worden seien. Das sind gleich zwei Lügen in einem Satz, gleich zwei Schutzbehauptungen auf einmal, die der Friedensbewegung die Distanzierung vom Antisemitismus der Hamas ersparen sollen. Es ist nahezu egal, welche der klassischen Friedensorganisationen man ansieht: Das Wort Antisemitismus benutzt kaum eine. Stattdessen dominieren Schuldaufrechnungen und Relativierungen bis hin zur Schuldumkehr.
Das betrifft leider auch viele Erklärungen aus der DFG-VK. Wir verstehen nicht, woher das Bedürfnis kommt, angesichts der Torpedierung der jüngsten Friedensprozesse zwischen den arabischen Staaten und Israel vorzugsweise dessen Regierung zu kritisieren. Besonders erschreckend finden wir die Statements, in denen sogar die in unseren Augen recht naheliegende Forderung nach Freilassung aller Geiseln der Hamas fehlt. Auch erschreckt uns, dass selbst die etwas sinnvolleren Statements es auch angesichts der eliminatorischen Angriffe der Hamas nicht schaffen, den Begriff „Antisemitismus“ zu verwenden.
Einige dieser Statements, die nach einem kurzen Bekenntnis gegen den Hamas-Terror ausführliche „Israel-Kritik“ üben, dienen offenbar vor allem dem Ausleben der eigenen Aversion gegen Israel. Dies entspricht leider einer langjährigen Tradition der deutschen Linken. Daran wollen wir uns nicht beteiligen.
Eine deutsche Friedensbewegung, die Antisemitismus, egal woher er kommt, nicht eine entschiedene Absage erteilt, ist vielleicht eine deutsche, aber keine Friedensbewegung.
Landesvorstand Berlin-Brandenburg der DFG-VK