Berlin im Sommer 2024: Hitze, Beginn des Pride Month, Fußball-EM der cis-Dudes… viel los in der Stadt. Und was macht eigentlich die DFG-VK? Die Aktivengruppe hat wie immer die Bundeswehr auf dem Kieker und macht eine Jobmessenaktion vor der „Music Hall“ in Friedrichshain. Wir hatten einen Matchplan und unsere Aktion hatte eine Überschrift (Hallo, Julian N.!), und zwar eine ganz naheliegende: There is no pride in killing people!
Bundeswehr auf der queeren Jobmesse Sticks & Stones?
Eine clevere Geschäftsidee der Uhlala GmbH: Mit Marken wie Proudr und Sticks & Stones spricht sie queere Jobsuchende und queerfreundliche Unternehmen an. Die Jobmesse Sticks & Stones wird als Event aufgezogen mit Workshops (Rock Your Identity, Drag Energy Catwalk Workshop, usw), Yoga Sessions, LGBTIQ+ Panels und sogar mit Bootstouren auf der Spree. Wie passt denn da die Bundeswehr rein, fragten wir uns. Klar: Die Bundeswehr haut Unmengen von Kohle für ihre Rekrutierungsaktionen raus, aber komplett sinnlos, das ist schon überraschend.
Queer in der Bundeswehr? Respektiert, ohne Diskriminierung?
Das ist so ein erbärmlicher Blödsinn, dass sich unser Aktionsflyer praktisch von selbst schrieb. Nach ein paar einleitenden Worten („Was ist bloß los mit der Bundeswehr, wie wir sie kennen: Toxische Männlichkeit, übelster Sexismus inkl. Vergewaltigungen, Unterwerfungsrituale und Übergriffigkeiten von rechtsradikalen Waffenfetischisten, Diskriminierungen aller Art – ist das alles Vergangenheit? Wird der Krieg jetzt friedlich, nett und ausdrücklich queerfreundlich vorbereitet?“) brauchten wir nur noch aus den offiziellen Berichten der Wehrbeauftragten zitieren. (Das war der Aufhänger für die Aktion. Unsere Grundsatzkritik stand auf unserem Standard-Flyer).
So lief die Aktion
Wir hatten Banner, Flyer und Infomaterial dabei. Zusätzlich hatten wir den Sensenmann bestellt, der mit gewaltaffinen Jobsuchenden sofort Terminvereinbarungen machen wollte. Der Sensenmann hatte leider seine Sense vergessen und auch keine Vertragsabschlüsse zu verzeichnen (also null Provision…). In brütender Hitze und voller Sonne verteilten wir unseren Aktionsflyer zusammen mit unserem Standard-Flyer für Jobmessen, bis der Zustrom zur Jobmesse deutlich nachließ. Insgesamt war die Jobmesse anscheinend nicht so gut besucht, was wohl auf das Wetter zurückzuführen war – da geht man eher zum Baden oder zum Chillen in den Park.
Bewerbungsgespräch: Die Bundeswehr im Test
Wegen der in unserem Flyer beschrieben Problematik haben wir eine*n Testbewerber*in zum Bundeswehrstand geschickt, damit der Karriereberater nicht vor Langeweile einschläft. Der Karriereberater beschrieb die Bundeswehr als vorbildlich queerfreundliches Unternehmen. Aha. Da wir lieber noch einmal genau nachfragen wollten, haben wir uns mit dieser Antwort natürlich nicht zufriedengegeben. Auf die Frage, wie die Bundeswehr mit queer- und transfeindlichen Übergriffen in den eigenen Reihen umgeht, wurde uns dann auch überraschend ehrlich geantwortet: Man sei stets darauf bedacht, dass die Bundeswehr nicht nur für „normale Menschen“ ein attraktiver Arbeitgeber ist. Wen er denn mit dem Begriff „normale Menschen“ meint, wollte der Karriereoffizier dann aber nicht weiter ausführen. Lieber wieder übers Geld reden. Tja, das wording ist schon entlarvend. – Bezahlung? Naja, nicht doll. Höher qualifiziertes Personal müsste schon sehr „idealistisch“ sein, um hier anzuheuern.
Publikumsresonanz
Auffällig war, dass uns niemand in kontroverse Diskussionen verwickeln wollte. Das Feedback war überwiegend positiv. Diejenigen, denen unsere Flyer nicht gefielen, gaben sie uns höflich zurück, anstatt sie wegzuwerfen. Einige wenige haben den Aktionsflyer („Proud to kill?“) missverstanden und dachten wohl, wir wollten sie aktiv für die Bundeswehr anwerben… Unser Banner wurde gelobt, zusammen mit dem Hinweis, dass es ein echter Hingucker für die Leute auf der Music Hall – Terrasse war. Ein Passant bot sogar an, uns mit Getränken und Sandwiches zu versorgen.
Versammlungsfreiheit
Eine Besonderheit der Aktion war, dass sie auf einem Privatgrundstück stattfand – für das aber, weil als öffentliche Fläche gewidmet, das Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz gilt. Im Vorfeld wollte uns die Versammlungsbehörde unseren Aktionstisch nicht zugestehen, die Versammlung sei zu klein. Die unsichtbare Grundstückseigentümerin (Anschutz Group) mochte offenbar auch keine Pazifist*innen und schickte die Polizei vor, damit wir dem Eingangsbereich nicht allzu nahe kommen (hey Anschutz, hast du Angst vor friedlichen Menschen?). Für dieses Mal hielten wir uns an die Regel „die Klügere gibt nach“, aber perspektivisch sind wir nicht gewillt, unsere paar kleinen Rechte auch noch einschränken zu lassen – auch im Sinne anderer Gruppen, die von einer unzulässigen Einschränkung der Freiheitsrechte betroffen sind.
Fazit
Sieg nach Punkten für die DFG-VK (ja, andere Sportart…). Auf diesem Terrain war die Bundeswehr eine erwartbar leichte Gegnerin für uns. Für offen queere Menschen ist die Bundeswehr nicht attraktiv, unabhängig von der jeweiligen politischen Anschauung. Wir fanden es aber wichtig, auch hier präsent zu sein. – Eine Auswertung der Aktion und weitere Planungen sind Thema beim nächsten Offenen Treffen (18. Juli).